Nach Rubrik

Nach Jahr

Archiv

Journal

30. April 2021

OHNE KUNST UND KULTUR WIRD ES NICHT STILL

Liebe Freunde,

mir ist bewusst, dass die nachfolgenden Zeilen nicht nur auf Begeisterung stoßen werden. Sie sollen lediglich ein Denkanstoß sein, nicht mehr und nicht weniger.
Die Aktion selbst möchte ich damit nicht schmähen, auch wenn ich deren Tendenzen, die einzelnen Kunstbereiche und die Akteure darin in Wer-verdient-es-am-meisten-Kategorien einzuteilen, eher bedenklich finde.

Und immer dran denken: Es ist doch nur ein Gedicht.


Ohne Kunst und Kultur wird es leider nicht still
     oder: Das Weinen der Dinosaurier vor dem Einschlag
     oder: Ein GaRant für weniger Follower
     und: Unentschlossene Erzählperspektive


Ach, wäre es nur so, wie sie’s behaupten!
Wie herrlich wäre es, herrschte mal Stille …
Wie gut es täte, wenn nicht alle glaubten,
es gäb die Kunst in unbegrenzter Fülle.

Wie heilsam wäre so eine Erfahrung,
wenn alles mit „uns“ einfach so verschwände.
Welch augenöffnerische Offenbarung,
wenn alles, was wir schufen, fänd ein Ende.

Stattdessen ist der Kern unsrer Probleme
der Umstand, dass man alles immer findet
und jederzeit auf unendlich bequeme
und simple Weise kriegt, was nie verschwindet.

Dabei ist’s gleich, ob Bilder oder Töne,
ob es Theater seien oder Museen:
Man drückt auf Tasten nur für alles Schöne,
und alles ist sofort und leicht zu sehen.

Gibt es vielleicht auch keine neuen Werke,
wird es kaum leiser und schon gar nicht still!
Verliert das Aktuelle auch an Stärke,
bekommt doch jeder stets das, was er will.

Das Internet ist nun der neue Weltraum:
Unendlich sind die Weiten, die uns locken.
Der einzelne von uns, ihr wisst, der zählt kaum,
bekommt man Füllhörner beim Stubenhocken.

Es reicht, um alles dort zu konsumieren,
doch nicht einmal die längste Lebenszeit.
Auch wenn sich manche noch so echauffieren:
Es bringt nichts, und der „Kunde“ ist dich leid.

Dabei ist es egal, in welcher Rolle
du welche Art der Schöpfung bringst ins Net,
beschwerst du dich, erscheinen sofort Trolle,
rechtfertigen den Raub als Netikett.

Denn Freiheit ist, wie im realen Leben,
natürlich nur die eigne, wenn man nimmt.
Den Schöpfern bleibt schlussendlich nur das Geben.
Man stellt sie ruhig, sind sie darob verstimmt.


Sie sind diejenigen, die still sein sollen,
sie sind die, die man langsam mundtot macht.
Konzerne nehmen indes, was sie wollen,
und ihnen hat’s Milliarden eingebracht.

Oh nein, ganz gleich, für welche Kunst du blutest,
dich aufopferst und schuftest wie ein Wilder,
wenn man dir einen Cent in deinem Hut lässt,
dann lächle dankbar! Poste davon Bilder!

Ob du auf Bühnen rockst oder daneben,
ob du für Schauspiel oder Lesung brennst,
ist Kleinkunst oder die Regie dein Leben,
egal, was du an Kunst Berufung nennst:

Es wird nie leise, gleich, woran wir glauben!
Und wer’s noch hofft, ist leider nicht gescheit.
Weil Großkonzerne uns längst alles rauben!
Sie haben uns und Rezipient entzweit.

Enteignung nennt man heute lieber „Teilen“,
auch wenn es Dritte sind, die profitieren.
So wird uns unser Schicksal bald ereilen,
und niemand wird den Unterschied groß spüren.

Ach, wenn doch ohne uns bloß Stille wäre,
und herrschte sie nur eine Woche lang,
das Überangebot ersetzt durch Leere,
verschwunden, kurz, Theater und Gesang!

Wenn alle Screens ein Weilchen nichts mehr zeigten,
auf allen Endgeräten: Sendeschluss!
Wenn gestrige Orchester nicht mehr geigten
und nirgends tränke Romeo den Kuss.

Wenn längst Verblichne wirklich müssten schweigen
und alles, was umherschwirrt, konserviert?
Würd man nicht mehr als Endlosschleife zeigen,
was dort im Äther ewig existiert?

Mag sein, wir lernten endlich neu das schätzen,
was mit viel Herzblut wird vom Nichts zum Werk?
Doch leider sind wir alle zu ersetzen.
Und Sisyphos gleich nehmen wir den Berg.

In Krisenzeiten suchen wir Verständnis
und hoffen, dass man uns noch retten will.
Doch besser stünde uns wohl die Erkenntnis:
Es wird auch ohne uns doch niemals still.

Wertschöpfungsketten wurden längst zerbrochen,
dies wiederum bricht uns heut das Genick.
Nun haben wir uns auftrittslos verkrochen,
und mancher kommt wohl später nicht zurück.

Die Kreativen warn vor einer Weile
mit ihren Konsumenten tief verbunden.
Doch die Vampire trieben giftge Keile
dazwischen und beschenkten „ihre Kunden“.

Und weil so viele die Geschenke wollen,
hat es natürlich kaum einen gestört,
dass nichts davon den lieben, ach so tollen
Heilsbringern und Gewinnern je gehört’.

Sie sind nicht Schöpfer, doch sie schöpfen alles
gewissenlos schon ab, als wär’s normal.
Uns speisen sie im besten Fall des Falles
mit einem Mikroanteil ab. Genial!

Solln euch danach doch Google und Konsorten,
Spotify, Prime und ähnliche Plattformen,
die aller Künstler Lohn bei sich nun horten,
Konzerte und ein Bühnenstück performen!

Wir wollen keine Almosen und Spenden!?
Wir wollen nicht das Publikum verstimmen!
Wir wolln nur unser Schaffen nicht beenden
und nicht das Bühnenlicht für immer dimmen.

Nun zahlen wir die Rechnung für das Dulden.
Das zeigt die Not in dieser Pandemie.
Geschah auch manches ohne dein Verschulden,
still wird es ohne uns am Ende nie.