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31. Dezember 2020

Das Jahr 2020

Eigentlich habe ich keine Zeit für einen Jahresrückblick.

Merkwürdig, oder? Dabei herrscht doch Lock- und Shutdown, Auftrittsverbot seit zehn Monaten, und man sollte meinen, dass auch für mich eine etwas ruhigere Zeit angebrochen sein müsste. Schließlich fressen Tourvorbereitungen immer eine gigantische Menge an Zeit, die nun eigentlich hätte freiwerden müssen, wenn sich derart viele Livepläne in Luft auflösen.
Denn das taten und tun sie.
Ein weitverbreiteter Irrglaube (diese letzten Worte könnten gut als Überschrift zu so vielem dienen, was in diesem Jahr los war) ist ja, dass man „wenn alles wieder normal ist“ einfach alles nachholen könne, was an Festivals und Tourneen verschoben werden musste.

Dem ist nicht so. Erstens kann man nicht irgendwann 2022 oder 2023 all die aufgeschobenen und die aktuell geplanten Konzertreisen spielen, selbst wenn das irgendwie toll klingt, denn so ein Jahr mit fünf, sechs Touren und neun Festivals, das wäre doch mal was, oder?
Aber das macht natürlich keiner, denn nur ein sehr kleiner Teil der Fanschaft würde sich so oft zu der gleichen Band aufmachen, um sie dadurch für all die Ausfälle zu entschädigen, und unter den Festivals herrscht zudem eine nicht zu unterschätzende Konkurrenzsituation, welche es den namhaften Bands nicht erlaubt, in der gleichen Saison auf mehreren Hochzeiten zu tanzen.

Fazit: Was weg ist, ist weg.
Aber das kennt ihr sicher von eigenen Unternehmungen.
Wenn es dabei um den Lebensunterhalt geht, ist das natürlich blöd.

Und warum kam dabei nun nicht wenigstens, wie bei vielen anderen Bands, ein gerüttelt Maß an Freizeit heraus? Nun, da müsste man die anderen Bands evtl. auch fragen, wie sie organisiert sind und wie kompliziert sich ihre Tourvorbereitungen gestalten. Bei uns ist – und das bestätigen mir unsere geschätzten Geschäftspartner unermüdlich – stets alles extrem kompliziert und fürchterlich aufwendig. Vor allem für den Hauptorganisator und Chefentscheider und Mir-egal-was-da-im-Business-üblich-ist-Rufer. Oui, c’est moi, mes amis …
Das Irre daran ist, dass man für jede Tour schon sehr weit im Voraus ganz akribische Pläne ausarbeiten muss, damit nachher alles einigermaßen glattgeht. Und das war schließlich der Grund, warum jede Verschiebung, jede Neu- und Umplanung wieder und wieder diese Vorbereitungen benötigte. Würde Zeit in Holzscheiten (sogenannten Logs, hihi) gemessen, wir hätten ein ständig fröhlich loderndes Kaminfeuer für 2020 gehabt, aus dem wir in regelmäßigen Abständen kalte Asche entfernen durften.

Übrigens, da viele begeisterte Fans so oft danach rufen: Auch Streaming-Konzerte bergen einen Aufwand, weswegen es bisher noch nicht dazu kam, dass wir uns diesem Thema gewidmet haben. Ich möchte nicht ausschließen, dass wir so etwas umsetzen werden, wenn die Lage es hergibt, bisher waren in meinen Augen aber andere Dinge wichtiger. Zugegeben, mein Zögern hat auch damit etwas zu tun, dass die Leute Irrglauben (siehe oben) Nummer zwei nachhängen und immer so tun, als könnten ausschließlich die Zuschauer, also nur das Publikum, sich mit diesem doofen Virus infizieren, die Musiker könnten aber ohne Probleme auf engem Raum zusammenkommen, um zu proben und danach gemeinsam auf die Bühne zu gehen. Oder vielleicht herrscht auch die Vorstellung, dass Musiker sich nicht in „Bands“ zusammenschlössen, sondern in „Familien“ (Kinder bis 14 nicht mitgerechnet, was es bei uns zugegebenermaßen auf eine Gesamtzahl von etwa 1,5 Personen reduzieren würde, kicher). Dabei macht die Situation mit der Pandemie das Zusammenarbeiten echt nicht leicht.
Und dann kommt auch noch dazu, dass meine Begeisterung sich bezüglich Streaming-Konzerten wirklich in Grenzen hält. Ein Konzert mit „Präsenz“ der lieben Zuschauer ist eben doch etwas ganz anderes. Die Atmosphäre lässt sich nicht ersetzen. Durch nichts auf der Welt!
Ich stelle mir das so vor, dass der Unterschied zwischen einem echten Konzert und einem Streaming-Gig als Erfahrung in etwa vergleichbar ist, wie guten Sex zu haben oder einen Porno auf dem Smartphone anzuglotzen.
Nun gut. Das ist ja nur eine Meinung, und da es an Meinungen momentan einen gewaltigen Überschuss gibt, will ich anderen Menschen die meine nicht auch noch aufdrängen. Ich wollte auch nur kurz erklären, warum sich mir Streaming-Konzerte nicht als beste und schönste Lösung präsentieren, wenn es um die Problematik des Auftrittsverbotes geht.
Jedoch, ich gerate wieder ins Schwafeln, man verzeihe mir die ausführliche Erläuterung.

Zurück zum Start, zurück zum Start …



Jahresrückblick. Genau.
Ich brauche euch nicht erneut sagen, wie schwierig, wie frustrierend und wie angsteinflößend dieses Jahr teilweise war. Das ist euch alles längst bekannt. Ebenso kann ich mir weitere Aufrufe sparen, uns zu supporten, damit es aus unserem Hause auch in Zukunft neue Musik geben kann. Ihr wisst es längst, wisst warum und wie.
Dennoch werde ich nie müde werden, all jenen zu danken, die uns bisher ihre Unterstützung haben angedeihen lassen. Dank, Dank und nochmals Dank!

Statt weiter auf der Situation herumzureiten, möchte ich gerne einen Blick werfen auf all das, was in diesem verrückten Jahr trotz aller Widerstände und Hürden auf die Beine gestellt worden ist. Holy shit! Das war doch eine ganze Menge!



Wir haben mit ASP (und den Little Big Men!) eine unglaublich tolle Live-Scheibe veröffentlicht. „Pentagrammophon – 20 Jahre ASP“ war und ist für mich eine absolut geniale Sache geworden, ein Live-Album, mit dem ich wirklich, wirklich zufrieden bin. Es ist eine Freude, so ein phantastisches Zeitzeugnis und Klang gewordenes Erinnerungsstück an unsere Jubiläumskonzerte auf die Welt loslassen zu dürfen.
Ich bin stolz auf dieses Album!

Im Sommer habe ich unzählige Tage und Nächte damit verbracht, Texte für die lang überfällige Neufassung des Buches „Horror Vacui“ zu schreiben. Und dabei ist außer dem Buchtitel und einigen mir am Herzen liegenden alten Anekdoten eigentlich kein Stein auf dem anderen geblieben. Ich wollte, dass auch all jene, die die erste Version des Buches kennen, voll auf ihre Kosten kommen, wenn sie das neue lesen werden. Es wurde um-, wieder- und vor allem neugeschrieben.

Danach kam eine sehr intensive Phase des Korrigierens, des Redigierens und Präzisierens, in der meine Lektorin teils hart mit mir, nein eigentlich mit meinen Texten, ins Gericht gegangen ist, und diese Feinarbeit hat sich meines Erachtens mehr als gelohnt. Ich denke, ihr werdet viel Spaß mit dem Ergebnis haben.
Und es ist ein Buch mit Bonusmaterial, welches ich in meiner, ursprünglich als Mußestunde geplanten Frei-Zeit geschaffen habe. Aber mehr will ich nicht verraten, ihr werdet es ja bald sehen und … erleben!

Mal eben kurz ein Spiel und eine Geschenkband-Box machen, lautete ein Plan im Sommer. Mal eben. Na klar. In meiner grenzenlosen Naivität habe ich wirklich gedacht, das würde so laufen. Im Ernst: Hätte ich damals gewusst, was da für ein unglaublicher Aufwand auf uns zukommen würde, ich bin ziemlich sicher, ich hätte das nicht gemacht. Umso mehr weiß ich aber nun unsere beiden absoluten Merchandising-Highlights PaarWeise und Lyrik-Band zu schätzen. Zwar ist das Spielprinzip nicht neu, aber ich finde, es ist gelungen, dieses Spiel absolut cool zu aspifizieren. Und das Lyrik-Band ist seit vielen Jahren einer meiner Herzenswünsche gewesen. Mir gefällt es wahnsinnig gut, auch wenn ich damit, so wie es aussieht, nicht ganz den Geschmack des „typischen ASP-Fans“ getroffen haben mag. Egal. Ich hab ja selbst immer Geschenke einzupacken. Dafür habe ich nun für viele Jahre das passende Geschenkband vorrätig.

Überhaupt habe ich in diesem Jahr viele, teils über Jahre notierte, gesammelte Wünsche von ASP-Fans in unserem kleinen Kaufladen umgesetzt. Da waren teilweise sogar noch Anregungen aus einem Fan-Forum auf nicht mehr klebenden Post-Its dabei, an das sich kaum noch einer zu erinnern scheint. Wie auch immer, ich hoffe, dass wir in diesem Jahr viele lange gewünschte, tolle Dinge wenigstens in unserem Online-Shop anbieten konnten, wenn schon unser geliebter Merch-Stand nicht eingesetzt werden kann. Vielleicht bauen wir ihn bald mal auf, einfach um der süßen Nostalgie zu frönen. Wenn, dann machen wir natürlich ein Foto für euch.

Mit dem neuen ASP-ODEM-Shop haben wir zudem noch einen Fan-Service der ganz besonderen Art aus der Taufe gehoben. Es ist ein merkwürdiges Gefühl für mich. In meinem Archiv sammle ich die meisten aller je hergestellten Produkte rund um ASP und Asp, wenn ich das in aller Bescheidenheit sagen darf, aber damit ist nun natürlich Schluss. Denn bei ASP ODEM gibt es schier unendliche Möglichkeiten, Motive auf die verschiedensten Produkte zu drucken, dass es für mich unbezahlbar wäre, mir von allem einen Probedruck zu besorgen. Und dann müsste ich vermutlich in ein größeres Haus umziehen, damit all die Stücke einen Platz finden könnten. Das ist in diesem Krisenjahr freilich alles andere als angesagt.

Auch diesen Shop aufzubauen, war eine sehr zeit- und arbeitsintensive Aufgabe. Also hoffe ich, ihr nutzt den Service gerne und seid zufrieden mit dem, was die Druckpartner euch bieten. Natürlich soll das nicht unseren allseits be- und geliebten ASP-Shop ersetzen. Es ist, wie oben beschrieben, etwas für diejenigen unter euch, die neu dabei sind und alte Motive suchen, oder die Hardcore-Fans, die sich das ganz besondere, individuelle Produkt wünschen.

Bücher gab es. Richtig schöne Bücher.

Und Ärger mit Druckereien. Richtig großen Ärger.

Ihr schönen (und verständigen) Menschen. Ich könnte euch Geschichten über Buchdruckereien erzählen, dagegen sind die Gruselstorys aus dem Hotel Astoria Ferien auf dem Ponyhof.
Mittlerweile scheinen wir wieder einen zuverlässigen Partner für diesen Bereich gefunden zu haben, aber, meine Herren (und Damen), war das ein nervenzerfetzendes Gewürge! Holla die Waldfee.

Apropos Waldfee.

Ein weiteres Highlight bzw. Twilighthighlight gab es natürlich auch noch!
Ich halte mich nicht für besonders oberschlau und schon gar nicht prophetisch veranlagt. Aber mein Beruf bringt mit sich, dass ich weit vorausplanen und rote Flaggen (manchmal) erkennen muss sowie gewisse Wahrscheinlichkeiten abzuwägen habe. Lange Rede, kurzer Sinn: Schon sehr zeitig in diesem Frühjahr wurde mir klar, dass der Winter sehr lang und dunkel werden könnte. Die einzige Art, ein Fünkchen Licht in euer Zuhause zu bringen, die ich einigermaßen gut kann (hoffentlich widersprecht ihr mir da nun nicht allzu vehement), ist Musik. Ich hielt mich also ran und vollendete das Herumor-Album „Eine Liebe nicht weniger tief“, welches zu diesem Zeitpunkt freilich noch keinen Namen besaß. Eigentlich bin ich kein Zauderer (Zaudererbruder, wo bist du gewesen in all diesen unentschlossenen Jahren?), aber bei diesem Vorhaben war ich lange nicht sicher, ob ich es unbedingt in die Tat umsetzen wollte. Sehr zum Leidwesen der Plattenfirma. Ein Grund für mein Umdenken ist in einem der Journaleinträge (ihr habt die sicher alle gelesen, ihr Tapferen?) beschrieben, aber letztendlich war es dieses dringende Bedürfnis, gleich der altbekannten Bilderbuchmaus Frederick loszuziehen und das Licht, die Farben und die Wärme des Zwielichtwaldes einzufangen, sie zu konservieren und in Form dieses Albums als Quelle für euch zur Verfügung zu stellen. Ich hoffe, es hat wenigstens ein bisschen geklappt, hoffe, es erzielt die gewünschte Wirkung – und wenn nicht das, dann doch wenigstens die, euch für eine Stunde gut zu unterhalten.

Je später das Jahr, desto fremdartiger wurde es dann. Und wie gut, dass ich mit den Zwielichtgeschichten so ein krasses Kontrastprogramm erlebt hatte, als ich mich in die wohlig-düsteren Gefilde des Fremder-Kosmos begab, um den Anfang vom Ende zu beginnen. Fast fühlte ich mich an die Zeiten der „Requiembryo“-Produktion erinnert (nachzulesen in „HORROR VACUI – DICHTER AM ABGRUND“) und an die vielen losen Enden, die so ein Zyklus-Finale mit sich bringt. Und in der Tat, manchmal sind die Reife und das unaufhaltbare Altern eben doch für etwas gut. Vielen Problemen, die so ein Punkt der Erzählung üblicherweise mit sich zu bringen droht, konnte ich viel besser gewappnet begegnen als damals. Es ist aber freilich genug zum Grübeln und Sortieren übrig geblieben. Und zum Kürzen, Zusammenstreichen und Konzentrieren.
Das Album steht in seinen Grundzügen, nun kommen die Aufnahmen dran. Und auch hier sehen wir uns durch die Pandemie mit vielen kleineren und großen, teilweise kräftezehrenden Hürden konfrontiert, die unserer positiv routinierten Arbeitsweise entgegenwirken. Aus ehemals simplen Handlungsabläufen werden komplexe logistische Herausforderungen, denen wir flexibel und ideenreich begegnen müssen. Aber irgendwie bekommen wir das alles hin. Solange wir nur gesund bleiben (und dabei ist nicht nur das Virus gemeint).

Wenn also alles gut geht (klopfen wir bitte alle kurz auf Holz, ja?), dann dürft ihr langsam schon eure Truhe öffnen, in der ihr die Vorfreude aufbewahrt, und diese nach und nach verströmen lassen, denn Ende des Jahres könnte es dann schon so weit sein und das Grande Finale der zehn Jahre währenden Reise des „Wanderers“ erscheinen.
Auch auf weitere Herumor-Musik dürft ihr euch freuen, wer hätte damit so schnell gerechnet?

Ihr seht schon, ihr schönen (und überaus geduldigen) Menschen, das Jahr 2020 war voll von schrecklich schlechten Nachrichten und Ungemach, dennoch gab es auch tolle Dinge, über die wir uns gemeinsam freuen konnten.

Ich fürchte, das neue Jahr wird ganz genauso. Es werden noch viele unschöne Neuigkeiten mitzuteilen sein, ebenso wird es aber auch wunderbare erzählerische und musikalische Meilensteine geben, die wir auf irgendeine Weise sicher wieder gemeinsam genießen dürfen.

Zwar bete ich nicht, wenn ich es aber täte, so würde ich es nun tun und darum bitten, dass wir es auch bald wieder LIVE tun dürfen, diese unvergleichliche Energie wieder spüren können! 

Diese magische Verbindung zwischen uns auf und euch vor der Bühne und umgekehrt!
Sie fehlt mir ganz schrecklich.

Ich habe ja eigentlich keine Zeit für einen Jahresrückblick … Aber er war verdammt nötig, und ich melde mich schon sehr bald wieder mit Neuigkeiten.Versprochen.
Euer trotz allem dankbarer

Asp