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14. November 2020

November, oh herrlicher November.

Liebes Lockdown-Tagebuch!

Ich bin nicht in der Politik.
Ich dichte, und ich mach Musik
und momentan noch manches mehr
wie Spiele, Fotos in Couverts
und manchen hübschen Firlefanz –
nur online! Mit Sozialdistanz!
Natürlich hoff ich weiter still,
dass all das jemand haben will.
Das Arbeitspensum ist noch krasser.
So hält man sich knapp über Wasser.
Ich bin so reich …


…an Arbeitsstunden!
Die Hoffnung ist schon längst geschwunden,
dass Hilfe von „dort oben“ naht
aus irgendeinem Staats-Etat.
Doch nun soll endlich, im Dezember,
die Hilfe kommen zum November.
Da will ich nicht undankbar klingen,
doch Euphorie will nicht gelingen.
Denn UNSER LOCKDOWN ist der ERSTE!
Seit Monaten herrscht die prekärste
Lage, die wir je erfahren
in all den schon nicht leichten Jahren.

Was unterscheidet den November
vom Mai, vom Juli, vom September,
in denen man das täglich Brot
uns nahm durch das Konzertverbot?
Na klar, wenn wirklich Hilfen kommen,
dann werden sie gern angenommen.
Doch eins muss bitte auch klar sein:
Der Tropfen auf dem heißen Stein
wird rasend schnell zu Dunst verdampfen.
Es bleibt der Überlebenskampf, denn
auch wenn wir uns drüber freun,
ist’s nicht EIN Monat, sondern NEUN!


Apropos Monate …

Vielleicht habt ihr beim feinen Essen
im Sommer und im Herbst vergessen,
dass, während man trank und verzehrte,
verboten waren die Konzerte.
Wie zeigten alle viel Verständnis
und warten noch auf die Erkenntnis,
dass unsre Branche weiterleidet,
weil man den Menschenauflauf meidet.
Wir sind – das scheint uns „Künstlern“ eigen –
grundsolidarisch, und wir zeigen
nun ziemlich lange schon Geduld,
vermeiden Hetze und Tumult,
doch einmal muss man es euch sagen
und vorher immer wieder fragen,
ob ihr uns, wenn ihr an uns denkt,
für blöde haltet und beschränkt?
Für Deppen, die durchs Leben schlingern,
nicht rechnen können mit zehn Fingern?
Für uns gab es nur EINEN Lockdown,
ob wir zu Klassik oder Rock schaun,
zu Festivals, Theaterbühnen,
ob drinnen oder auch im Grünen!

Wir freuen uns fürs Restaurant,
ist es für uns auch ein Affront.
Sie sollen gerne Geld erhalten
und zwar am besten auch recht bald, denn
irgendwie war EUCH nicht klar,
was allen offensichtlich war.
Was habt ihr denn im März gemacht?
Habt ihr im Mai nicht nachgedacht?
Wart ihr im Urlaub statt zu Hause?
War bei euch heimlich Virus-Pause?
Habt ihr euch nicht beraten lassen?
Wollt keiner sich damit befassen,
die miesen News nicht überbringen
bei all dem großen Redenschwingen?
Seid ihr im Sommer eingeschlafen
beim Brüten über Paragraphen?
So viele fallen durch die Maschen,
und IHR lasst euch echt überraschen
von unseren vier Jahreszeiten
und wann sich Viren gut verbreiten?
Wenn dem so ist, ihr kleinen Blender,
rat ich euch zu nem Wandkalender!
Nehmt von den üppigen Diäten
und investiert in ein Gerät, denn –
sicher ist es für euch neu –
da gibt es welche, die euch treu
und zuverlässig ganz konkret
erklären, wie die Zeit vergeht!
Genug! Es wird schon Gründe haben,
warum wir uns nicht Mühe gaben,
als es noch leicht gewesen wär.
Ich bin ja kein Politiker
und weiß so gut wie nichts am End,
darum ist es nur konsequent,
ich halt schnell wieder meine Klappe,
beantrag eure Hilfs-Attrappe.
Denn darum ging es weiter oben,
und eigentlich würd ich gern loben –
und wenn nicht loben, dann bemerken:
Bestimmt wollt ihr das Ansehn stärken,
indem mit großzügigen Mienen,
die euch mehr als der Sache dienen,
ihr in das Heldenkostüm springt
und uns die frohe Kunde bringt:
„Schaut her! Bald kommt der Geist der Weihnacht,
wenn ihr im warmen Kerzenschein lacht,
weil wir euch ein Geschenk kredenzen
zum Schutze eurer Existenzen,
nun ist die Hilfe endlich da:
Singt Halleluja-Gloria!“


Wir sind begeistert, ja, ganz ehrlich!
Es wäre nur mehr als gefährlich,
die Geste überzubewerten.
Das wäre ganz und gar verkehrt, denn
merket euch, ihr Mathe-Scheun:
Aus einem Monat macht nicht neun!
Vor allem macht aus neun nicht einen!
(Selbst wenn’s besser ist als „keinen“.)
Hab ich die Eier in der Hose
und wage gleich noch die Prognose:
Aus neun werden nicht zehn, nicht 14,
sondern 20. Ja, man wird sehn,
dass wir auch im neuen Jahr,
das ist doch wohl mehr als klar,
genauso wenig Hoffnung finden
und viele von uns ganz verschwinden.
Habt Dank für die November-Spenden!
Das wird das Blatt nicht für uns wenden.
Vielleicht kann man das Leiden strecken,
bevor wir schließlich doch aufgeben müssen.