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1. Mai 2020

Kurz-Kurz-Kurz-Lang-Lang-Lang-Kurz-Kurz-Kurzarbeit

Liebes öffentliches Tagebuch,

heute nun der angekündigte Bericht zum Thema: Wie ist die Lage im „Dunklen Turm“? Nun. Zunächst die guten Nachrichten: Es ist einer der schönsten Frühlinge, an die ich mich erinnern kann, und ich bin einigermaßen gesund. Soweit ich weiß, sind es auch meine Mitstreiter, denn auch zwischen uns Bandmitgliedern und im ASP-Team heißt es Abstand halten, ist doch klar!

Also wie läuft es? Nun, es läuft vermutlich wie bei vielen anderen Menschen: Nicht so gut, wie es könnte. Im vollen Bewusstsein, dass allen klar ist, dass wir nicht einzigen Menschen mit Problemen sind, schildere ich nun dennoch ein paar Herausforderungen, die mir zurzeit begegnen. Diese Einträge sind keine Album-Ankündigungen, keine Konzert-Pläne (das schon gar nicht), sondern nur für jene unter euch, die sich über ein (Über-)Lebenszeichen freuen und die sich dafür interessieren.

Also los. Statt Kurzarbeit bin ich zur Langarbeit verdonnert. Das Schlimmste an der momentanen Situation ist, dass man die Zukunft nicht zuverlässig planen kann. Wir alle fahren durch den Nebel, auf Sicht, lauschen auf das Echolot und hoffen auf Antwort. The fog is much too dense, and I can’t find anyone …


Wie viele andere Freiberufler verbringe ich meine Zeit im privaten Zuhause und arbeite dort. Das mache ich natürlich momentan auch. Meine Hauptbeschäftigung ist derweil das Neu- und Umplanen von Vorhaben, die vor der Covid-19-Krise begonnen haben und festgelegt wurden und die nun regelmäßig verschoben, neu angelegt und auf anstrengendste Weise vom Erledigt-Stapel zurück auf den übervollen Schreibtisch rutschen. Alles, was mit Live-Konzerten zusammenhängt, muss wieder und wieder verschoben werden. Proben sind nicht möglich. Termine müssen wieder und wieder besprochen, abgesagt, neu organisiert werden. Und bis es offizielle Absagen gibt, muss man alles so vorbereiten, als würde es sicher stattfinden, nur um dann doch zu erfahren, dass es vergebens war. Und all das organisiere ich zusätzlich zu den Projekten, die ich für diese Zeit ursprünglich geplant hatte. Die Tage sind endlos und endlos anstrengend und voller Enttäuschungen und Ärgernisse, voller Hürden und immer wieder zu besteigender Gipfel.

Sisyphos lässt grüßen.

Vor einigen Tagen kam der erwartete Schocker: Die Festival-Saison ist tot, lang lebe die Festivalsaison … aber erst 2021. Ja, es ist richtig. Viele Konzerte werden wahrscheinlich im nächsten Jahr nachgeholt und als Konzertgänger darf man sich natürlich drüber freuen und tröstend ausrufen: Aber wir holen die Party ja nach, ist doch nicht so schlimm.

Ohne euch die Freude verderben zu wollen: Das ist wahr. Auch wahr ist aber leider, dass wir und viele Kollegen auf, neben und hinter der Bühne trotzdem in diesem Sommer kein Konzert spielen und der Verdienstausfall eine klaffende, bedrohliche Lücke in unser Einkommen schlagen wird.

Da fragt manch einer: „Aber wenn die Konzerte nachgeholt werden, dann fehlt euch doch gar nichts, es kommt nur später.“
Nein, das ist natürlich so nicht. Nächstes Jahr wollten wir ja ganz andere Festivals spielen, die nun natürlich nicht möglich sind, da alle ihr Programm im nächsten Jahr nachholen müssen. 

Diese Einnahmen fehlen uns für immer.
Da für viele der mittleren und größeren Bands die Livegagen den allergrößten Teil ihres Gesamteinkommens durch Live-Auftritte ausmachen, wird das viele bleibende Narben hinterlassen auf dem Körper unserer Musiklandschaft. Viele Veranstalter und Bands haben keine Ahnung, ob und wie sie nach einer Normalisierung der Lage zurückkehren können in den Beruf.

Die meisten überleben nur so lange, wie ihre Rücklagen, ihr Erspartes sie über Wasser hält. Danach ist Sense.Ich wünsche an dieser Stelle allen Kollegen (nicht nur Musikern, sondern aus allen Bereichen der aufführenden Zunft), dass sie diese Zeit einigermaßen unbeschadet überstehen mögen. Doch selbst jene, die diese akute Dürrezeit irgendwie überdauern, werden vermutlich bis dahin alles aufgebraucht haben, was sie auf der hohen Kante haben, Altersvorsorge inklusive.

Unterstützung gibt es, zumindest für mich, keine. Ich habe in den letzten Wochen mit stetig schwindender Hoffnung die sogenannten Corona-Hilfsangebote abgeklappert und schnell festgestellt: Klar, als von zu Hause aus arbeitender Freiberufler sind meine Lebenshaltungskosten natürlich identisch mit meinen geschäftlichen Fixkosten und damit ist fast jede Förderung ausgeschlossen. Und so holte ich mir einen Frustmoment nach dem anderen ab, ein Nein nach dem anderen. Auch die Hilfsangebote von GEMA und GVL entpuppten sich schnell als Schall und Rauch, teilweise sogar als unverschämter und dreister Versuch, von den Mitgliedern Daten zu sammeln, die bisher nur den Finanzämtern vorbehalten waren. Und so weiter.

Aber gut, dass, als die Festival-Saison offiziell abgesagt wurde, die meisten Fördergelder eh schon weg waren (vorher hätten die meisten von uns ja keinen Verdienstausfall nachweisen können, schließlich bekommen wir kein monatliches Gehalt), war natürlich zusätzlich frustrierend.

Also gut. Als nicht systemrelevanter Wirtschaftszweig sind wir ja Kummer gewöhnt, vor allem, wenn schon davon gesprochen wird, dass „Konzerte, Kirmes und Schützenfeste wohl das letzte sein werden“, was wieder in unser Leben zurückkehrt. Konzerte, Kirmes, Schützenfeste!
Keine Hilfe. Ach, kenn ich schon. Dann in die Hände gespuckt und ran an die Arbeit! Es gibt ja trotzdem Pläne und Projekte, die bereits in der Pipeline liegen und um die man sich kümmern kann. Tja. Die sind nur leider, leider alle mit enormen Investitionen verbunden. Investitionen, die man nicht unbedingt leichtfertig tätigen sollte, wenn dadurch das Ersparte nur immer weiter schrumpft und man damit die Überlebensdauer, die sich aus dem eigenen Ersparten speist, deutlich verkürzt.

Das ist alles enorm komplex, und vieles muss wieder und wieder auf den Prüfstand gebracht, Prioritäten fast täglich neu geordnet, das Arbeitsleben neu organisiert werden. Das allein ist schon fast ein Fulltime-Job, und man hat noch keinen Vers geschrieben, keinen Ton komponiert.
Und dann die vielen freundlichen und fast immer leider nicht funktionierenden Tipps, die man noch dankend abwehren muss. Meistens auf eine Weise formuliert, die nicht nur nicht weiterhilft, sondern auch einen neuen Haufen Arbeit erzeugt, den man auf den Berg von Arbeit draufsetzt.„Sammelt doch Spenden“ heißt es da, und nach einigen Stunden Recherche hat man dann zumindest mal rausgefunden, dass zwar immer von „Spenden“ die Rede ist, aber im Grunde Schenkungen gemeint sind, denn Spenden dürfen nach meinen Nachforschungen nur gemeinnützige Organisationen einsammeln. Spenden an eine Band oder einen Dichter wären in diesem Falle Schenkungen, die man aufgrund der Steuergesetze völlig nachvollziehbar und für das Finanzamt transparent angeben muss. Zumindest wenn man sich, wie ich, immer bemüht, alles korrekt und ohne böses Erwachen zu erledigen.

Mal davon abgesehen, dass man auch keine Kleinstschenkungen zulassen sollte, weil sonst der daraus resultierende „Vorgang“ in Buchhaltung, beim Steuerberater und dem Amt vermutlich mehr Kosten erzeugt, als er wert ist. Ich bin Poet, ich bekomme von zu viel Mathe Kopfschmerzen.

Und so verbringt man viele Stunden mit Amtsdeutsch und Behördenhürden, mit fiskalischen Finten und stellt wieder fest: Erneut habe ich keinen Vers geschrieben, keinen Ton komponiert.

Lassen wird das mal alles beiseite. Tun wir mal kurz so, als wäre das alles kein Problem. Reden wir von Support. Ob dieser nun durch eine Spende oder einen Kauf im Merchandisingshop oder durch den einer ASP-CD irgendwo oder eines kostenpflichtigen Downloads entstehen sollte: Dabei müsste man jedoch davon ausgehen, dass alle Unterstützer gerade jetzt für Musik, Entertainment, Kunst und schöne Geschichten ihr Geld ausgeben können. Aber ist es nicht eher so, dass momentan einige von euch den Gürtel enger schnallen müssen und ihre Mittel für das Lebensnotwendigste aufsparen müssen? 

Ja, ich weiß: Manche Fans sagen natürlich, dass unsere Kunst für sie lebensnotwendig ist, und ich danke ihnen von ganzem Herzen für diese lieben Worte. Aber die Realität errechnet sich in diesem Fall eben aus dem Durchschnitt des großen Ganzen, und da sieht es für alle Künstler eher mau aus.
Es sind sehr komplizierte Zusammenhänge, auf die man reagieren muss, ohne dabei die Motivation für die Arbeit zu verlieren.

Das darf nun bitte nicht missverstanden werden: Selbstverständlich ziehe ich meine Motivation und meine Befriedigung nicht ausschließlich aus der Entlohnung (sonst hätte ich aufgehört, Musik zu machen, als die Einnahmen für ein neues Album nicht mehr die Produktionskosten gedeckt haben, weil alle jetzt lieber streamen als kaufen), sondern auch aus den vielen schönen Reaktionen und nicht zuletzt aus dem überwältigenden Gefühl, etwas Tolles geschaffen zu haben! Aber ganz ehrlich? Mit einem Berg Schulden lässt es sich wesentlich weniger gut arbeiten als mit ein bisschen was auf dem Konto.

Eigentlich hatte ich irgendwann mal versprochen, nicht mehr über das Thema „Geld“ in der Öffentlichkeit zu sprechen. Aber Corona ändert eben alles.Und ich möchte gerne, dass ihr alle wisst, dass es nicht daran liegt, dass wir uns keine Mühe geben oder wir besonders unflexibel sind, wenn wir viele gut gemeinte Tipps nicht umsetzen können.

Wir werden Hilfe brauchen, wenn wir über die Runden kommen wollen, das steht schon mal fest.

Der Staat wird es nicht richten. Es ist an uns und an euch – wenn ihr könnt und wollt. Und bitte denkt bei eurem Support auch daran: Spendet nie mehr, als ihr euch leisten könnt, bringt euch nicht selbst in Nöte, um uns zu helfen. Das wäre eine nicht zu ertragende Vorstellung.Ähnlich wie für viele von euch eine Welt ohne ASP.

Deswegen möchte ich nun positiv enden und euch ankündigen: Im nächsten Beitrag verrate ich euch endlich, was ich alles geplant habe und wie wir weiter schöne Dinge machen wollen, was es alles geben wird, wenn ich es hinkriege.

Ihr dürft euch freuen wie die Schneekönige … und die Schneeköniginnen *zwinker*

Euer Langarbeiter-Asp