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6. Januar 2010

Glaubensbekenntnis

Eine Art Neujahrsansprache?

Die ersten zehn Jahre ASP sind vorbei. Wir hatten ein ungeheuer spannendes Jubiläumsjahr mit einer wahrlich grandiosen Tour und einer tollen Single-EP.

Trotz allem war es auch ein Jahr, in dem wir – vor allem ich persönlich – gemerkt haben, dass wir, machten wir immer so weiter, keine zehn weiteren Jahre ASP mehr erleben würden.
Es war ein langer, schmerzhafter Prozess sich das einzugestehen, doch wir hoffen, dass wir gemäß der alten Redewendung „Gefahr erkannt, Gefahr gebannt“ nun mit einem etwas klareren Blick den höchsten Berg Biotopias erklommen haben, um einen Blick in die Zukunft zu werfen.

Aber: „You can't get off a train in full speed“, wie es in How far would you go so treffend heißt.
Deswegen sind alle Veröffentlichungen, wie bereits angekündigt, auf unbestimmte Zeit verschoben.

Wir brauchen dieses Innehalten. Brauchen die (relative) Ruhe, um uns selbst neu zu finden und möglicherweise zu erfinden.

Zunächst einmal trafen Matze und ich uns, um eine Art Bestandsaufnahme zu machen und eine Vision für die Zukunft von ASP zu entwickeln.

Hier geht es vor allem auch um Geschäftliches, was üblicherweise im Musikbusiness hinter den Kulissen verborgen bleibt... Wer sich also das unbeschwerte Fan-Dasein ungespoilert bewahren möchte: Bitte hier das Lesen abbrechen und direkt zur 10er-Proklamation springen!
Und alle, die uns längst und unbelehrbar für völlig dem Kommerz anheim gefallene Musikgeier halten, bitte hier ebenfalls abbrechen. Bitte gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen und wir werden die Schublade, in die Sie uns gesteckt haben sowieso nie wieder öffnen können. Das Ding klemmt einfach.

Alle anderen: Schön, dass Ihr da seid.

Wir sind Musiker in einem neuen Jahrtausend. Das Internet hat die wertschöpferischen Möglichkeiten von Musik gravierend verändert. Dies ist – ganz wert- und wertungsfrei – erstmal ein Fakt.

Wir möchten von unserer Kunst und deren Vermarktung gerne leben können. Das ist auch Fakt. Wer dies verwerflich findet, der tut uns leid.

Nach wie vor werden wir alles daran setzen, unsere Kunst in allen Bereichen so gut wie möglich zu vermarkten. Dies ist nötig, um unsere Unabhängigkeit zu gewährleisten.

Wir machen nicht die Kunst gefällig, damit sie auf dem Markt funktioniert.
Wir machen die Kunst, die uns gefällt und vermarkten sie dann nach Kräften.

Die Live-Konzerte

Näher dran an ASP, näher dran an Euch!

Matze und ich haben in den letzten zwei Jahren einen deutlichen Besucher-Zuwachs beim Live-Publikum erleben dürfen. Eine Tatsache, die uns erstmal wirklich sehr freut, denn das bestätigt uns als Künstler und zeigt, dass unsere Arbeit geschätzt wird. Danke dafür!
Wir haben aber auch festgestellt, dass uns z.B. der Auftritt in der Ruhrkongresshalle in Bochum auf eine bestimmte Art nicht hundertprozentig behagt hat: Es war für unseren ganz persönlichen Geschmack einfach ein bisschen zu groß. Nicht mehr intim genug.
Wir sind aber der einhelligen Meinung, dass unsere Tourneen genau dies auch bieten sollen.

Problem: Je größer die Locations, desto leichter verdienen alle Beteiligten Geld. Ist ja auch logisch, denn je weniger Konzerte die Band spielen muss, um die gleiche Anzahl der Leute zu erreichen, desto kürzer sind die Zeiträume, in denen Technik und Arbeitskräfte bezahlt werden müssen.
Lösung: Wir setzen uns gegen die Widerstände der Geschäftspartner durch und nehmen die Mehrkosten in Kauf.
Wir wollen lieber viele mittelgroße Konzerte spielen, als wenige und dafür riesige.
Das hat – so hoffen wir – den positiven Nebeneffekt, dass mit der Zeit weitere potentielle Tourstädte hinzu kommen und wir dadurch den Fans immer kürzere Anreisen ermöglichen können.
Das bedeutet für uns alle mehr Arbeit und größere Kosten, aber wir sind fest davon überzeugt, dass das der richtige Weg für ASP ist.

Ticketpreise
Es ist wirklich eine Plage. Klar, die Preise für Konzertkarten sind in den letzten Jahren sowieso gestiegen... Jaja, der TEuro. Die Kosten für eine Tourneeproduktion sind explodiert und so ganz können wir diese Entwicklung auch nicht von den Fans fernhalten. Leider.
Wir stemmen uns aber wirklich gegen die riesigen Sprünge, die die Mitverdiener uns vorschlagen. Glaubt uns, wenn es nach denen ginge, dann läge eine ASP-Konzertkarte längst über 30 Euro.
Wir glauben aber daran, dass es gut ist, hier mit sanftem Widerstand gegenzusteuern.
„Warum denn?“, mag so mancher Bobachter fragen, „denn irgendwoher muss das Geld ja kommen. Schließlich jammert ihr immer, dass die Band zu wenig Geld verdient.“
„Wohl wahr“, lautet unsere Antwort, „aber jemand, der 40 Euro für eine Konzertkarte blechen muss, der wird sich damit schwer tun, auch noch ein T-Shirt am Merch-Stand mitzunehmen.“
Merchandising ist jedoch wichtig, denn daran verdient das Projekt ASP. Und zwar ausschließlich. Wir haben die Merchandising-Lizenzen nie an Dritte abgegeben. Deshalb kommt hier am allermeisten tatsächlich auch bei uns an.
Deswegen wollen wir auch in den kommenden Jahren unter der 30-Euro-Grenze bleiben.
Klar, bei speziellen Konzerten wie Festivals, bestuhlten Konzerten, Unplugged-Tourneen in wundervollen (und teuren) Locations etc. gelten andere Gesetze.

Doch auch in anderen Bereichen haben Matze und ich uns Gedanken gemacht.

CD, or not CD, that's the question.
Es ist was faul im Staate Dänemark... doch nicht nur dort.

Man kann es leider nicht schönreden oder leugnen: Der Einbruch der Tonträgerverkaufszahlen ist längst auch bei den Indie-Plattenfirmen angekommen, nicht nur bei den viel gescholtenen Major-Produkten. Dass heute Musik einen anderen Stellenwert hat und die Musikhörer ein anderes Selbstverständnis besitzen, was ihre Umgehensweise mit Musik angeht, das lässt sich nicht mehr leugnen oder ignorieren. (Erinnert sich noch jemand an unsere Aktion „Ich will brennen“?)

Lasst uns ganz offen sein: Heute wird tatsächlich so viel Musik „umsonst im Internet besorgt“, dass der physische Tonträger nur noch einen winzigen Bruchteil der gesamten Versorgung mit Musik darstellt. Leider gilt das Gleiche für Bezahl-Downloads, die noch vor kurzem als DER definitive Ausweg aus der Misere angesehen wurden.

Freunde, wir waren immer schon weit davon entfernt, Musikfans kollektiv zu kriminalisieren oder dieses Phänomen pauschal zu verdammen. Es ist ein unumkehrbarer und unaufhaltsamer Prozess und ich kann es am ehesten mit den Gefühlen vergleichen, die ein Pianist wohl mit der Einführung der Wachswalze als Tonträger oder der Schellackplatte empfunden haben mag. So umfassend sind die Veränderungen, die sich hier ankündigen.

Jetzt müssen wir darauf reagieren, denn trotz aller klugen Sprüche, die so manch ein Freibeuter im WWW für den Profimusiker auf Lager hat, muss eines immer ganz klar sein:
Jeder Song kostet uns Künstler eine Stange Geld, denn die Tonstudios und Toningenieure, all die Technik und die vielen Arbeitsstunden, die gibt es nicht umsonst. Auch diese Leute wollen verständlicherweise von etwas leben.

Nicht vergessen darf man auch eine weiter damit einhergehende Problematik:
Der Trend geht eindeutig weg vom Konzept „Musik-Album“ hin zum „Einzelsong-Erlebnis“. Das ist natürlich für Konzept-Künstler wie uns eine ebenso schwerwiegende Veränderung wie die Tatsache der rückläufigen CD-Verkaufszahlen an sich.

Was also tun? Wohin soll die Reise gehen?

Zunächst einmal war die schwierige Frage zu klären, ob und wie wir überhaupt weiterhin mit einer Plattenfirma und einem Musikverlag zusammenarbeiten wollen.

Schließlich wird die Direktvermarktung von Bands im Internet als eine Art Allheilmittel für die Branche und als einen sich selbst regulierenden Kunstmarkt angesehen.
Weit gefehlt, wenn man die Realität im Netz anschaut! Dort werden auch nur diejenigen groß, deren Plattenfirmen genug Geld in das Netz-Marketing investieren können, um ihre Künstler entsprechend zu featuren.
Wir sehen das aber auch aus einem ganz anderen Grund etwas differenzierter: Wir wollen diese Arbeit gar nicht alleine bewältigen. Wollten wir uns ganz alleine vermarkten, wir hätten gar keine Zeit mehr für die eigentlich wichtigen Kerntätigkeiten als Komponisten und Musiker. Wir wollen aber mehr Zeit exakt dafür haben.

Also: Ja. Wir wollen weiter mit einem Label zusammenarbeiten.

Die nächste Frage ist dann natürlich: Welche Art von Plattenfirma soll es denn sein? Bleibt man Independent oder folgt man doch den Verlockungen eines Major-Labels? Schließlich verspricht das sprunghaft ansteigende Vermarktungs- und Gewinnchancen.

Endlich mal eine einfache Antwort für Matze und mich! Nein, ein Major-Label kommt überhaupt nicht in Frage.
Warum? Ganz einfach. Weil wir nicht an das Konzept glauben. Ein Major-Label ist und bleibt ein Konzern, der an kurzfristigen Gewinnen interessiert ist und nicht am langjährigen Aufbau von Bands. Meistens nicht mal an Musik. Ein Vorurteil? Möglich, aber langjährige Beobachtungen des Musikbusiness haben uns darin bestätigt.

Wir haben uns also mit Alex Storm, unserem Labelboss seit nunmehr zehn Jahren, zusammengesetzt. Nun ja, wie viele von Euch wissen: Wir haben überhaupt keinen Plattenvertrag mehr. Seit Jahren regeln wir das per Handschlag und damit verbundenem Vertrauen mit Herrn Storm und das fühlt sich über große Stecken gar nicht mal so verkehrt an.

Doch auch hier galt es, neue Wege zu versuchen, sich in dieser Konstellation zu hinterfragen und die Zusammenarbeit zwischen ASP und Trisol auf den Prüfstein zu stellen.
Wir haben lange Gespräche geführt, die Köpfe rauchen lassen und uns den Konflikten gestellt, die eine solche Auseinandersetzung ganz automatisch mit sich bringt.

Und am Ende?
Tja, am Ende haben wir trotz allem, was in den zehn Jahren an internen Kämpfen und anstrengen Lernprozessen für alle Seiten auftauchte, eines festgestellt: Wir haben einen Partner in unserer Plattenfirma, der eine ganze Dekade lang an unsere Vision geglaubt hat und mit uns gewachsen und gereift ist. Jemanden, der gemerkt hat, dass bei ASP alles immer ganz anders ist und wir mit unserer Haltung unserer Musik und unseren Fans gegenüber schlussendlich nicht immer, aber doch sehr, sehr oft Recht behalten haben.

Wir bleiben Indie. Wir sind stolz auf das, was wir als unabhängige Band erreicht haben.

Alex Storm wird in Zukunft weit mehr Aufgaben mit und für uns übernehmen, uns den Rücken freihalten, damit wir uns den wirklich wichtigen Dingen widmen können: Dem Erschaffen unserer kleinen Kunstwerke, tollen Alben und Songs. All den Tales Of Asp, die bisher noch unerzählt sind...

Wir haben ein paar wundervolle Pläne ausgetüftelt.

Um diese zu verwirklichen, wird für unsere Veröffentlichungen ein ganz neues Label bei Trisol gegründet, unter dessen exklusivem Banner ASP von nun an segeln wird.

Einen Teil dieser Pläne will ich kurz erläutern.

Auch wenn der Tonträgermarkt schrumpft: Wir sind Album-Künstler. Das Zusammenspiel von Musik, Texten und Artwork als Gesamtkonzept ist uns eine Herzensangelegenheit.

Wir möchten dafür kämpfen, dass der Stellenwert weiter erhalten wird.
Deshalb wird es unsere Alben in Zukunft immer in mindestens zwei schönen Editionen geben. Wir haben in der Vergangenheit Maßstäbe gesetzt mit unseren Deluxe-Editions: Das wollen wir auch weiterhin tun.
Was sich ändern wird, ist jedoch Folgendes:
Lieblose Jewel-Case-Ausgaben der ASP-Scheiben werden nach und nach aus den Läden verschwinden. Wir werden sie durch unlimitierte „Standard“-Ausgaben im schönen DigiPak ersetzen, die höheren Produktionskosten wird Trisol in Kauf nehmen.
Bei den Alben „Zaubererbruder“ und der Lied-Sammlung „Horror Vacui“ sind wir diesen Weg schon gegangen und wir wollen es von nun an bei allen Tonträgern so machen.
Wir sind nämlich immer noch der Meinung, dass man mit liebevollen Artworks- und Verpackungskonzepten dem Problem des schwindenden Tonträgerabsatzes zumindest noch ein wenig trotzen kann.

Weiterhin werden wir die starke Limitierung der Deluxe-Editions unserer Alben entschärfen. Das bedeutet: Wir werden in Zukunft viel höhere Auflagen der limitierten Ausgaben herstellen lassen, um möglichst vielen Fans die Chance zu gewähren, eine davon zu bekommen. Das ist ein gewaltiges wirtschaftliches Risiko, denn die Herstellungskosten sind teilweise extrem hoch, aber für uns, die Künstler, ist es ja ohnehin die „einzig wahre Ausgabe“, in die wir all unser Herzblut gesteckt haben. Dies mag die Sammler und Wiederverkäufer grämen, für alle anderen ist dies aber eine schöne Sache.

Und noch eine Einigung konnte erzielt werden:
Die Charts werden zu uns kommen müssen, wir kommen sicher nicht zu den Charts.
Leidiges Streit-Thema: Media-Control-Charts. Für das Label immer eine attraktive Sache, kann man doch einen Hitparadenplatz gut und gerne als Verkaufsargument für den Handel benutzen, mal ein paar Platten von dieser komischen Gothic-Novel-Rock-Kapelle für das CD-Fach zu ordern.
Schluss damit. Wir werden es wohl auch in Zukunft nicht vermeiden können, jedoch werden wir uns nicht mehr dazu überreden lassen, aktiv darauf hinzuarbeiten. Mal im Ernst: Die Charts waren uns schon immer schei-Begal. Außer als Genugtuung, es aus eigener Kraft geschafft zu haben, neben all dem oberflächlichen Radiomist existieren zu dürfen, was wir immer als Zeichen FÜR unsere Art der Musik empfanden, hat es uns immer eher genervt.
Wir wollten ein Dorn im Fleisch der Industrie sein. Nun wollen wir einfach wieder wir selbst sein und in gar nichts mehr stecken, wollen uns aus dem Gewebe befreien.
Wenn es passiert, dann passiert es eben. Aber wir werden keine Termine und keine Strategien darauf abstimmen oder sonst irgendwelche Kompromisse eingehen.

Und nebenbei: Musikverlage.

Schluss damit. Diesen Mitverdiener werden wir nun ausschalten, denn eine Existenz-Berechtigung ist nicht vorhanden. Wir haben gegen einen Haufen leere Versprechungen große Teile der Verwertungsrechte unserer Songs an Musikverlage abgetreten (bis etwa 70 Jahre nach unserem Tod!). Die Verlage haben im Gegenzug für uns ...nichts... getan!
Wir sind endlich verlagsfrei und das bleiben wir ab jetzt.

Da behaupte noch mal einer, Rockmusik sei keine Rebellion mehr!

Also,

ich hoffe, Ihr bleibt uns weiterhin gewogen. Auf die nächsten zehn Jahre!

Asp
Frankfurt am Main, 01.01.2010