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14. Februar 2009

Ich bin ja jetzt wieder evangelisch.

Nein, nein, nicht was Ihr denkt! Ich hatte keinen Anfall von plötzlicher Sehnsucht nach der Geborgenheit im Schoße einer religiösen Gemeinschaft oder nach einer Lebensrichtlinie, wie sie so manch Strauchelndem in schlechten Zeiten Schienensystem für den Expresszug des Lebens sein kann.
Ich schreib es hier lieber hin, denn im Straucheln bin ich so ziemlich Weltmeister.

Und es war auch kein symbolischer Wiedereintritt, um die gesellschaftliche Fackel der Gothics hochzuhalten, denn dann sähe man es endlich mal: Die sind ja doch nicht alle Teufelsanbeter! Frohlocket! Lobpreiset den Asp, dass er dies Opfer auf sich nimmt, um die Szene aus der medialen Ächtung zu führen!

Gott bewahre! Uuups. Jetzt ist mir das schon wieder passiert. Das sagt man halt so. Ist ein feststehender Ausdruck in meinem Sprachschatz. Habe nun jahrelang versucht, mir stattdessen anzugewöhnen „Bob“ statt „Gott“ zu sagen. In Anlehnung an den Starfucker. Nur, dass keiner denkt. Seid versichert, das ist einfach eine idiomatische Redewendung, schließlich bin ich in einem christlich geprägten Kulturkreis aufgewachsen. Eine Redewendung wie : „Am Arsch die Räuber“.

Tschuldigung. In diesem Zusammenhang wäre so was wie „Auge um Auge“ wahrscheinlich passender gewesen. Ist ja auch christlichen Ursprungs. Nein, ich will die Bibelstelle nicht wissen.

Ich weiß, gleich heißt es wieder, ich hätte was gegen Christen. Mann, was ein Kreuz. Ich habe nichts gegen Christen, damit das eben ein für alle Mal klar ist. Mir ist das völlig wurscht, welchem Glauben jemand anhängt, solange zwei Dinge dabei Beachtung finden:
Das erste ist schlicht folgende Kleinigkeit: Wenn einige Leute darauf bestehen, aufgrund ihres Glaubens oder ihrer Weltanschauung anderen Leuten auf die Mütze zu hauen oder Schlimmeres mit ihnen anzustellen, dann kann ich sie nicht leiden und es ist mir dabei ziemlich egal, ob sie dabei zu Allah, Jehova, Kali, à–l oder Dollar beten.
Das zweite ist eine Lebenseinstellung, die ich recht gut finde: „Behandle Menschen immer so, wie Du selbst gerne behandelt werden möchtest.“ Glaubt mir. Das ist eine echt gute Sache und ich bin sicher nicht der erste und/oder letzte Mensch, der denkt, so könne doch auf recht einfache Weise eine Verbesserung im Miteinander hergestellt werden. Das hat nichts mit Religion zu tun, sondern schlicht mit gesundem Menschenverstand, welcher, das muss ich natürlich zugeben, auch ein Stück weit anerzogen und von einem gewissen Weltbild geprägt ist. Weiß der Teufel…

Pause.

Ich lasse hier absichtlich eine Pause für die Leute, die in diesem Moment einzuwerfen pflegen: „Mooooment: Das kann man doch nicht pauschalisieren!“ und meistens danach mit einer unglaublichen Räuberpistole à  la „Stellen Sie sich vor, ein [bitte irgendeinen beliebigen, mit fremdländischen Attributen ausgestatteten Aggressor einfügen] landet in Ihrem Garten und versucht Ihnen/Ihrer Frau – oh ja, besonders Ihrer Frau! - /Ihrer gesamten Familie inkl. Haustieren [Unzutreffendes bitte streichen] eine kaum vorstellbare Grausamkeit anzutun. Gell, da kämen Sie auch nicht weiter mit ihrem pazifistischen Quatsch?“

Doch. Pauschalisieren kann man immer.
Muss man sogar, sonst kann man keine Entscheidungen treffen.

Beispiel: Wenn ich behaupte, die Mehrheit der Hessen habe einen Sprung in der Schüssel, weil sie bei der letzten Landtagswahl genau jenen Parteien die Mehrheit der Stimmen gegeben hat, die für den Erhalt des ganzen ökonomischen Wahnsinns stehen, von dem wir gerade die allerersten, zarten Auswirkungen erleben – da wurde mir schon gesagt: „Aber Asp, du kannst doch die Leute nicht so über einen Kamm scheren!“
Äh, doch. Das ist immerhin a) das, was demokratische Wahlen tun (so soll es doch sein?) und b) kann man es doch am Ergebnis sehen. Ich finde das paradox. Eine Lemming-Wahl.
Ich sage: Es kann doch nicht sein, dass z.B. eine Partei, welche gerade in Hessen in einen üblen Schwarzgeld-Skandal verwickelt war (war), als Reaktion beim Wähler anscheinend den Eindruck vermitteln kann, „die können wenigstens mit Geld umgehen“. Oder prinzipielle Befürworter von Studiengebühren. Freunde der Nacht, das ist eine Müllermeister-Einstellung, die ich auch ebenso prinzipiell und pauschal ablehne.
Und das, obwohl ich kein C im Namen trage.

„Aber das musst du differenziert betrachten“ wird als letzter Rettungsanker immer auf den schlammigen Argumentationsgrund ausgeworfen.
Nein, das muss ich nicht. Ich habe mich jahrelang bemüht, die ganzen Zusammenhänge in der Politik zu verstehen, da hat man keine Chance. Ich habe zu arbeiten! Manchmal denke ich, ich lasse mir lieber Naivität vorwerfen und traue mich, Pauschalurteile zu haben. Zum Beispiel Pauschalurteile wie „Wenn ich kein Geld habe, dann darf ich keins mehr ausgeben.“

Klingt nach Stammtisch-Weisheit, ist aber für mich Realität, und wenn ich schlecht gewirtschaftet habe, dann kriege ich leider auch kein Konjunkturpaket geschnürt, mit dem ich meine Spekulationsreise fortsetzen kann. So mal ganz pauschal.

Zurück zum Thema Religion und der Überschrift.

Ich bin ja damals aus der Kirche ausgetreten, weil ich schlicht und ergreifend nicht Christ genug bin, um in diesem Verein weiterhin Mitglied zu sein. Schon gar nicht in einem Verein, der mir einen ganz schönen Batzen an Mitgliedsbeitrag von den sauer verdienten Brötchen abzieht. Deswegen kann ich trotzdem viele prinzipielle Meinungen und Verhaltensrichtlinien, die Christen und Christus haben und hatten akzeptieren und tatsächlich auch in Ordnung finden. Kann ich dann bitte wenigstens nur anteilig bezahlen und für den ganzen Blödsinn, den die Kirche angestellt hat noch eine saftige Rückzahlung beantragen?

Reicht doch, wenn ich als Zwangsmitglied bei der GEZ geführt werde und für Sendungen bezahlen muss, die meiner Vorstellung vom Bildungs- und Informationsauftrag täglich durch so erhellende Sendungen wie „Sturm der Liebe“ oder „Der Bergdoktor“ neue Facetten verleiht. Ich finde schon, dass da eher die öffentlich rechtlichen Rundfunkanstalten MIR Geld geben sollten, quasi als Entschädigung.
Oder im Radio. Da will ich als Musiker gar nicht anfangen, sonst sitzt Ihr morgen noch da.

Ich bin also schon vor vielen Jahren ausgetreten, ich empfand das sowohl mir als auch dieser Glaubensgemeinschaft gegenüber fair. Lassen wir uns doch gegenseitig in Frieden, Schwamm drüber. Ich will auch mein Geld nicht zurück, schließlich weiß ich, wie dringend es gebraucht wird.

Es geschah nach meinem letzten Umzug.
Wie das immer so ist auf den Ämtern, man muss ja seine komplette behördliche Existenz neu anlegen und obwohl ich seit Jahren keine mehr brauche, wurde mir auch gleich die obligatorische Lohnsteuerkarte ausgehändigt. Da stand es. Eine Abkürzung, die in diesem Zusammenhang nicht „eingetragener Verein“ bedeutet, sondern „evangelisch“.

Nanu?

Das darauf folgende Gespräch mit dem Beamten vor Ort wiederzugeben, wäre erneut eine Sache, die den Rahmen hier sprengen würde. Ich fürchte auch, dass meine friedliche Grundeinstellung hier sehr auf die Probe gestellt wurde… stellen Sie sich vor, ein Angestellter des Einwohnermeldeamtes landet in Ihrem Garten und…

Kurz: All meine Beteuerungen halfen nichts. Wenn ich meinen beglaubigten (haha) Kirchenaustrittsschein nicht vorlegen könne, dann müsse ich wohl oder übel erneut zum zuständigen Amt und erneut austreten. Inklusive der erneut anfallenden Gebühr.

Ja, wie jetzt? Keine Ahnung, in welchem Schuhkarton das Ding nach all den Jahren gelandet ist! Ich dachte, wer einmal draußen sei, den wollen die nicht mehr haben.
Gerade mich, als gefürchteten Weihwasserverdampfer!
Apropos. Was wünschte ich mir, ich wäre katholisch, da dort „der Apostat, Häretiker oder der Schismatiker sich die Exkommunikation als Tatstrafe zuzieht...“. Hört sich zumindest so an, als sei es da nicht so leicht, wieder in den Schoß – nein, Moment mal, bei der Haltung der katholischen Kirche zur Sexualität möchte ich vielleicht ab jetzt diese Metapher nicht mehr nutzen – in die Arme der Kirche zurückzukehren.

Tja. Neulich las ich, wenn man zum katholischen Glauben übertritt, dann erlischt die Mitgliedschaft bei den anderen ja automatisch. Sollte ich nicht dann eventuell dort eintreten und mich dann mal so richtig exkommunizieren lassen?

Das muss man den Katholiken lassen, da sind die viel strenger und aufgeräumter, wie mir scheint. Außer man fängt an, den Holocaust zu leugnen wie ein gewisser Bischof aus England, versteht sich. Dann muss man schon ein bisschen aufpassen, die nehmen einen dann unter Umständen wieder. Doch was dieses Thema angeht, besteht bei mir natürlich ohnehin keine Gefahr.

Stopp! Ich will mich hier wirklich nicht darüber lustig machen.
Aber nun brauche ich mich tatsächlich auch nicht mehr wundern, dass ich die ganze Zeit diese Broschüren/Zeitungen der ortsansässigen Gemeinde bekomme.

Ich frage mich nur, ob es da so was wie ein Vereinsregister gibt, denn seit einiger Zeit bekomme ich auch viele Zuschriften von Menschen, die unsere ASP-Musik hören und mir wortreich die Geschichte ihrer Erleuchtung erklären. Als hofften sie, in mir eine verwandte Seele zum Reden gefunden zu haben.
Wahrscheinlich hätte ich mich nicht mit dem Requiem (siehe unser Doppelalbum Requiembryo) an sich beschäftigen sollen, da wurden einfach zu viele Stichworte aus der Liturgie verwendet. Es verhält sich so: Man kann sich doch auch für bedrohte Tierarten interessieren. Deswegen muss ich noch lange keine Flussdelphine oder Kakapos zu Hause halten. Ich interessierte mich ja auch intensiv für Krabat und bin trotzdem nicht Mitglied in einem sorbischen Heimatverein geworden.

Also, liebe Briefeschreiber. Bitte keine weiteren Zuschriften! Ich muss nicht missioniert werden, denn a) bin ich dagegen allergisch und b), wie bereits ausführlich erläutert: Es ist doch gar nicht notwendig!
Zumindest bis ich diesen doofen Schuhkarton wieder gefunden habe.