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4. Oktober 2007

Erwachen

Ein Ende. Ein Anfang. Welch ausgesprochen befremdliches Gefühl! Als ob man ein völlig neues, ein losgelöstes Leben beginnen könne. Eines, das, nicht von den alten Schatten überlagert, sich anschickt, die Flügel auszubreiten und ungeahnte Höhenflüge zu wagen.

Und doch: Das alte bleibt teilweise an einem kleben wie die gesponnenen Fäden des Kokons, der Puppenstube, der man endlich entwachsen ist. Ein Berg von antiken, ungeschickten Briefen. Eine Sammlung alter Ideen, mal fein skizziert, mal nur eine Ahnung ätherischer, vergossener Tinte. Fremdartige, verflossene Gefühle (fremde?) durch einen winzigen Blick aufs Neue zum Leben erweckt.
Welch Süße, die den Abgründen der Seele entsteigt, die aufgewühlte Innenweltsee zu spiegelglatter Melancholie beruhigt. Ein reinigendes Feuer, aus dessen Asche die Zukunft entspringen mag.
Das Sortieren der Texte kommt einem Begräbnis gleich. Mit jedem Blatt, das auf einen der Stapel gelegt wird, nach reiflicher Überlegung dem Vergessen, dem erneuten Schlummer in den verschollenen Archiven oder der Bewahrung übereignet, wie eine Schaufel kühler Erde in die Grube.

Einen Teil davon soll niemand je zu Gesicht oder Gehör bekommen. Einen anderen werden wir in die Kälte der Welt entlassen wie Kinder. In der Hoffnung, sie mögen gefunden und geliebt werden.

Und Deine Augen sagen: „Nie mehr wir.“