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15. September 2022
Drei Rosen
… der Weg zum kleinen schwarzen Haus … Holger Much über „Drei Rosen“
Weißt du noch, wie‘s war?
In manchen Worten liegen Kraft und Stärke verborgen. In manchen Worten lebt Magie. Und webt man solche Worte auf eine bestimmte, vermutlich unerklärliche Weise zusammen, so beginnen Welten zu leben und zu leuchten.
Es gibt Texte, die erzählen von einem bestimmten Sachverhalt. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.
Und dann gibt es Texte, die tun so viel mehr. Sie öffnen verborgene Türen zu Welten und Geschichten, die in unseren Herzen und Seelen leben. Diese Texte sind pure Magie, sie sind, jenseits ihres eigentlichen Sujets, auf eine gewisse Weise ewig und universell. Man kann sich in sie einwickeln wie in eine warme Decke, man kann sie sich über den Kopf ziehen, kann in ihrem Schutz träumen und weinen, und man kann der Welt für einige Zeit entfliehen. Man kann aber auch in ihnen ertrinken.
Asp Spreng gehört zu den wenigen Poeten, die diese Art von Texten erschaffen können.
Leicht wie der Flügelschlag eines Schmetterlings lesen sich die Zeilen, scheinbar mühelos der Feder entflossen. Jedes Wort ist voller lebendigem Zauber und doch paradoxerweise so schwer, dass es einen unweigerlich mit in die Tiefe reißt, hinab in jene Welt, die der Autor uns zu erblicken erlaubt.
Dass Asp Spreng mit jedem Wort, jeder Wendung der Erzählung nicht nur sein eigenes Herz öffnet, sondern auf wundersam-erschreckende Weise auch wissend in die intimen Herzenswinkel der Lesenden selbst zu blicken scheint, gehört zu den faszinierenden Aspekten seines schriftstellerischen Schaffens und macht sicher einen großen Teil seines Zaubers aus.
Dieser Zauber wirkt auf mich ganz übermächtig und überwältigend in seiner Erzählung „Drei Rosen“.
Diese Geschichte um Passion und Liebe, um tiefe Hingabe, um unerträglichen Schmerz und um Verlust, geschildert aus der Sicht des Ich-Erzählers, wandelt auf den Pfaden des bewusst gewählten, symbolreichen Bild des Waldes. Dort schwelgt sie in bukolisch-sinnlicher Innigkeit voller Unschuld, verläuft sich dann aber zusehends, um in wahrlich verstörend-dunklen Hallen tiefe Verzweiflung und schmerzhaften Schrecken zu gebähren.
Asp Spreng hat es selbst bereits formuliert, die geheimnisvolle Schöne kann als Verkörperung der Musik selbst gelesen werden. Welch wunderbare Bedeutung für einen Autor, dessen literarisches Schaffen doch untrennbar mit Musik und der Liebe zu ihr verbunden ist.
Doch wie bei allen hervorragenden Texten bietet „Drei Rosen“ so viel mehr an Interpretationen, so viele Möglichkeiten vielleicht, wie es Herzen gibt, die sich diesen Worten schutzlos öffnen. „Weißt du noch, wie‘s war?“
Zwischen den Worten locken süße Nebel, verheißungsvolle Schlupflöcher und Fetzen verwehter Melodien, denen zu folgen so märchenhaft schön wie gefährlich sein kann.
Sicherlich aber hält der Lesende mit „Drei Rosen“ eine so fesselnde wie bewegende Liebesgeschichte mit beunruhigend dunklen Untertönen in den Händen, die niemanden, der sich der verführerischen Sprache hingibt, unberührt lassen dürfte.
Selten – eigentlich noch nie – war ich so dankbar, eine Geschichte in Bilder fassen zu dürften, selten hatte ich solchen Respekt davor.
Denn die vielschichtige, flirrende Poesie von Asp Sprengs Worten entzieht sich, kaum dass man ein Bild zu fassen glaubte, auch schon wieder dem Blick, um etwas anderem Platz zu machen.
So habe ich mich im Falle der „Drei Rosen“ nach langem Kampf und mehreren gescheiterten Versuchen dazu entschlossen, die Geschichte nicht auf die Art zu illustrieren, wie ich es sonst immer tue.
Ich habe mich auf das Wagnis eingelassen, eine Art gezeichnete Nachdichtung in Bildern zu schaffen, die die Geschichte Asps parallel zum Text mit eigenen Mitteln darstellt.
Egal wie, dieses gemeinsame Werk, vielleicht auf eine hintergründige Weise das bisher intensivste und dunkelste, wird auf alle Zeit und Ewigkeit einen ganz speziellen, einzigartigen Platz im kleinen schwarzen Haus im Wald meines Herzens haben.
Asp über die Entstehung:
Drei Rosen erblühen erneut.
Mitten in irgendwelchen Pandemie-Lockdowns im Jahr 2020 nutzte ich, halb gezwungen, halb erfreut, die Chance, das ultimative ASP-Texte-Buch endlich auf den neuesten Stand zu bringen und zu überarbeiten. Eine echte Herzensangelegenheit, welche mich sicherlich auch mental durch diese extrem frustrierende Phase gebracht hat. Aus der Not geboren entstanden viele schöne, neue Begleittexte, und meine Erinnerung durfte in Momenten verweilen, die dem Leser genau wie mir selbst präsentiert und als schriftliche Anekdoten veröffentlicht werden durften. Das war sehr angenehm, denn viel zu viele Erlebnisse und Gedanken verblassen oft genug im täglichen Wahnsinn und werden vom ewigen Hamsterrad des Musikertreibens einfach in eine dunkle Ecke geschleudert. Selbstredend nahm ich die uralte Erstausgabe des Buches in die Hand und entdeckte dort das etwas lieblos im Schlussteil untergebrachte Gruselgedicht „Die drei Rosen“ und entschied mich nach kurzem Überfliegen, dieses – in meinen Augen – mit einigen stilistischen Makeln behaftete Werk nicht in die neue Ausgabe zu übernehmen. Das lag wie oben erwähnt daran, dass ich das Gedicht damals in ziemlicher Eile verfasst hatte und ich eigentlich nur die stilistischen und sprachlichen Ungereimtheiten bemerkte.
Die andere Angelegenheit, die mir die Freude daran bis zum Wiederlesen deutlich vermiest hatte, war die Tatsache, dass die von mir für ein etwas zweifelhaftes Hörbuch-Projekt eingelesene Geschichte mit vielen negativen Erinnerungen verbunden war, denn ganz ehrlich: Nicht nur wurde ich damals im Studio beim Einlesen nicht gerade höflich oder freundlich behandelt, natürlich wurde in der Folge das komplette Projekt ein reines Ärgernis, da später zwar fleißig verkauft und verwertet wurde, eine Ausschüttung an mich als Autor jedoch nie erfolgte. Dabei geht es nicht um den schnöden Mammon allein, sondern um Respekt und Wertschätzung dem Verfasser gegenüber.
So etwas kann schon einmal einen kleinen düsteren Schatten auf ein an sich schönes Geschreibsel werfen.
Die Neuausgabe von „Horror Vacui“ sorgte jedoch dafür, dass ich mir einen Vermerk an mich selbst machte, mir die „Drei Rosen“ nach Abschluss der Arbeit an dem Songtexte-Buch noch einmal mit etwas Muße zu Gemüte zu führen.
Es dauerte nur wenige Wochen, dann sollte einer dieser raren Momente tatsächlich eintreten (wie angedeutet: nicht alles an den Lockdowns war zu hundert Prozent schlecht), und ich konnte die vielen formalen Fehler des alten Textes beiseiteschieben und mich inhaltlich darauf einlassen.
Und mir ging es wohl wie Holger, als ich ihm später die sanft überarbeitete Fassung einfach mal zum Lesen schickte: Die „Drei Rosen“ packten mich. Sie berührten mich. Ich stand meinem jüngeren Ich gegenüber und spürte wieder genau das, was mich damals angetrieben hatte. Das war regelrecht überwältigend.
Ich musste sofort auf einer Welle von Emotionen reiten und den Text in eine etwas elegantere, aber inhaltlich unveränderte Form bringen. Es ließ mich nicht mehr los, bis es getan war.Es verschlang mich, rief mich zu sich, wenn ich gerade nicht daran arbeitete.
Damit wurde es auch direkt zu einem verrückten Beweis für das bedrohlich-verzehrende Bild, welches die Geschichte über das Schaffen von Kunst im Allgemeinen und Musik im Speziellen zeichnet, wenn man die recht plakative Allegorie einmal durchschaut hat, die ich damals das Bedürfnis hatte zu benutzen.
Ich möchte der Geschichte nicht zu sehr vorgreifen, lies lieber das Buch mit den sensationellen Illustrationen des Herrn Much. Aber eins möchte ich durchaus noch loswerden: Die damals in Worte gewobenen Ängste vor dem selbstzerstörerischen Aspekt des schöpferischen Aktes sind über die Jahre Realität gewordene, betonierte Erfahrung. Das geht nicht allen so, ich kenne viele Kollegen, die dieses Selbstverzehrende in keiner Weise nachvollziehen können, aber für mich war und ist jeder kreative Moment ein schöpferischer Akt, der bedeutet, aus mir selbst zu schöpfen, mir etwas zu nehmen und hinaus in die Welt zu senden. Mag sein, dass die Ressourcen regenerativ sind, dennoch bleibt stets die Furcht, dass man etwas mehr gibt, als energetisch wieder nachwächst. Ziemlich sicher ist Holger Much diesbezüglich ein Seelen- und Hingebungsverwandter, denn er bat mich sehr nachdrücklich, dass er und niemand anders dieses Gedicht zum Buch vervollständigen dürfe.
Welch ein Offene-Türen-Einrennen war dies?
Herausgekommen ist ein Buch, das mich absolut mit all den negativen Begleitumständen der ursprünglichen Entstehung versöhnen konnte. Wie eine alte Wunde, die endlich heilen durfte.
Ich hoffe, alle Leser werden Freude an meinem kleinen Geschreibsel haben. Pit Hammann hat das Buch so schön gelayoutet, dass die Schrift so wenig wie möglich von den unglaublich ergreifenden Bildern ablenkt, die Holger Much(a) gezaubert hat.